Come to the Dark Side – und schau neugierig, was sich hier so findet
Am liebsten beschäftige ich mich persönlich mit „positiven“ Themen, nährenden Dingen, Dingen die mir gut tun, die mich glücklich machen. Es macht für mich Sinn, sich positiven Themen anzunähern. Dies entspricht dem inneren menschlichen Streben nach Zufriedenheit und macht außerdem auch noch Spaß. Wenn ich mich entscheiden kann, meinen Blick auf Chancen und Lösungen zu wenden, statt auf Probleme und Ärger, wirkt das doch einleuchtend …oder?
Interessant finde ich die Beobachtung, dass sich Menschen von dieser „Wohlfühl-Kultur“ (wieder) abwenden mit Worten wie „Immer sollen alle zu jeder Zeit glücklich sein – das nervt“ oder „Ich will aber meckern!“. Es mag zunächst schwer nachvollziehbar sein, wie man sich freiwillig oder absichtlich Dunkelheit und Unwohlsein zuwenden kann. Andere sehen in der Gefühlsruhe oder Neutralität den bestmöglichen Zustand. Ich vermute diese Tendenz kommt unter anderem aus den überschießenden Angeboten zu „Glückskursen“ (ja, auch von mir selbst), „Fühl-Dich-Gut-Praktiken“, „Freude-im-Leben-Ratgebern“ und „365-Tage Wohlbefinden“-Coachings. Da bleibt weniger Platz für „negative“ Themen. Angst und Schmerz und Leid und Last sind dabei naturgemäß nicht im Fokus. Sie bekommen weniger Beachtung oder werden abgelehnt. So entsteht der Eindruck (also auch eine Art Druck), immer und überall fröhlich grinsend, achtsam und entspannt durch die Welt hüpfen zu müssen. Es wirkt vielleicht so, als ob schlechte Laune, Traurigkeit oder Charakterschwächen nicht mehr sein „dürfen“.
Natürlich ist das nicht der Fall. Alle Facetten des Menschen sind es wert, betrachtet zu werden. Und was das am Ende ist, ob negativ oder positiv, gut oder schlecht- …wer weiß das schon? Das Bedürfnis sich als Mensch zu entwickeln bedeutet nicht eine Seins-Optimierung zur Perfektion. Und was perfekt ist …wer weiß das schon.

So habe auch ich mich in der letzten Zeit mit den Ecken im Leben beschäftigt, die nicht so viel Licht und Liebe bekommen, wie zum Beispiel die Vorzeige-Eigenschaften. Schön wäre eine Welt in der ich dazu stehe, was an mir kauzig, ärgerlich oder unnötig ist. Ich möchte bei diesem ängstlich, ich möchte bei jenem streng sein. Ich möchte sagen, dass manches einfach schlecht läuft, ich möchte weinen und schimpfen und dann etwas Neues anfangen.
Hiermit möchte ich Sie und alle Menschen einladen, sich anzuschauen was Ihnen unangenehm ist, sich auseinander zu setzen mit dem, was Sie selbst Nerven kostet. Lasst uns Raum für Sorgen und Selbstzweifeln geben, den inneren und äußeren Kritikern Gehör schenken, dem eigenen „dunklen“ Fleck einen neuen Anstrich verpassen und vielleicht auch einfach mal etwas so lassen, wie es ist. „Come to the Dark Side“- Komm auf die Dunkle Seite und schau neugierig, was sich hier so findet. In der finsteren Nacht lassen sich die Sterne entdecken, die am Tage verborgen bleiben.
Den eigenen dunklen Flecken einen neuen Anstrich verpassen und vielleicht auch einfach mal etwas so lassen, wie es ist
Im übertragenen Sinne meine ich damit, es gibt kein Tabu! Was für mich zählt ist: Sich mit sich zu beschäftigen. Hinzuschauen, was es alles gibt. Sich bewusst machen, was einen beschäftigt. Sich entscheiden, was im eigenen Leben der Schwerpunkt sein soll. Bemerken, was einem gut tut. Entdecken, was man schon gut kann. Erforschen was einem noch nicht gefällt. Entscheiden, ob dies sich ändern soll und wie und wann. „Negative“ Themen sind dabei genauso spannend und bieten genauso hilfreiche Stellschrauben, sein Leben bewusst zu gestalten.
Es geht mir also um zweierlei: Erstens möchte ich dafür Werbung machen, dass nicht alles „rosa“ sein muss, sondern man einen Blick auf Ängste, Sorgen, Merkwürdigkeiten oder andere „negative“ Eigenschaften werfen darf.
Zweitens möchte ich ermutigen, sich aktiv mit diesen auseinanderzusetzen. Es geht darum, einen guten Umgang zu finden.
Wer einen Blick riskiert trifft auf viele Fragen. Wie oft reagiere ich aufgrund von Vorurteilen? Wie viel Bewertung steckt doch noch im Mensch, der in der Inklusiv-Schule den Queeren-Nachmittag organisiert? Wie oft stolpert man über seinen eigenen Perfektionismus? Wie schnell entsteht das Gefühl versagt zu haben, nach einem kleinen Fehler? Wie gehe ich damit um, wenn’s „weh“ tut? Wieso zeigt mir mein Spiegel immer wieder alles, was ich wirklich bin? Warum tut meckern und motzen so gut? Und warum will ich jetzt einfach schlecht gelaunt sein? Wann werden diese blöden Eigenschaften sich endlich verwachsen? Viele Fragen. Rund um diese Themenbereiche habe ich im vergangenen Jahr einige Techniken und Impuls-Übungen entwickelt, welche ich auch in meinen Coachings nutze. Einige davon möchte ich in kommenden Beiträgen teilen (unter der Kategorie „Come to the Dark Side“). Mal sehen, welche Antworten sich ergeben…!
