First-Aid-Gedankenkreisel

First-Aid-Gedankenkreisel – Ausstieg aus dem Gedankenkarussell

Denken, eine wunderbare Fähigkeit. Wir Menschen können denken, träumen, Ideen im Kopf ausmalen, Pläne schmieden, Lösungen überlegen. Wir können gedanklich Erinnerungen durchleben und ganze Filme schöner Momente vor dem inneren Auge entstehen lassen. Die Fantasie und unsere Kreativität erschaffen Bilder der Freude und Hoffnung. Wir können schon im Kopf Ideen durchdenken und brauchen sie nicht alle auszuprobieren. Dabei können wir auch Vorerfahrungen, Wissen und bestehende Regeln einbeziehen. Wir erschaffen Was-Wäre-Wenn Fantasien und planen so unseren Alltag und unser Leben. Ohne Worte und ohne Taten kommen wir weiter, mit der Kraft der Gedanken. Wir Menschen verfügen also über eine ausgeprägte kognitive Fähigkeit (eben diese gedanklichen Fähigkeiten wie Wahrnehmen, Denken, Lernen). Diese unterscheidet uns von anderen Lebewesen und kann als eine der wichtigsten Eigenschaften der Menschen gesehen werden. Eine unschätzbare Fähigkeit also, die uns immer weiterhilft. Immer?

Aber was, wenn nicht alle Gedanken wohltuend oder hilfreich sind? Wenn sie sich ganz und gar nicht gut anfühlen? Was wenn die Gedanken kreisen und mehr werden und ich sie nicht unter Kontrolle bekomme? Wenn ich in mir Gedanken entdecke, die sich mit Ängsten und Schwächen beschäftigen? Nach der Idee „Come to the Dark Side“ lade ich Sie ein, dies für sich zu überprüfen und ggf. wahrzunehmen: Ja, es gibt diese dunklen, „negativen“ Gedanken. Ja, sie kommen auch zu den fröhlichsten Menschen. Da ist die Erinnerung an ein Leid oder eine Verletzung, die noch schmerzt. Die Sorge um eine kommende Aufgabe. Die Angst einen Fehler zu begehen oder die Scham weil es schon geschehen ist. Bilder und Dialoge tauchen gedanklich auf und wiederholen sich. Wir sprechen von Flash-Backs (unkontrolliert auftauchende, belastende Erinnerungen) und Gedankenkreisen. Tausende Was-Wäre-Wenn Szenarien mit schlechtem Ausgang. Der Sog negativer Gedanken, die uns belasten, kann dazu führen, dass wir überhaupt nicht mehr handeln. Beispielsweise berichten Menschen, die unter Depressionen leiden von der unbändigen Kraft negativer Gedanken. Aber auch in weniger schweren Fällen bemerken wir, wie uns schwer kontrollierbare, negative Gedankenspiralen im Alltag die Kraft rauben. Wir können uns kaum auf unsere Umwelt konzentrieren, sind beschäftigt mit Denken.

Da ist der Liebeskummer, der den ganzen Kopf auszufüllen scheint und kein rationales Denken mehr zulässt. Da ist die Erinnerung an den Streit mit dem Nachbarn, die Furcht ihm wieder auf der Straße zu begegnen. Die Gedanken kommen, sobald man in die Nähe der Haustüre kommt. Eigentlich will man zur Arbeit fahren, doch da fällt einem das anstehende Familien-Treffen ein, liegt einem schwer im Bauch,- fast wäre man falsch abgebogen. Oder der Ärger über eine falsch verfasste E-Mail schiebt sich immer wieder in die Gedanken, obwohl man sich eigentlich auf das Gespräch mit seinem Chef konzentrieren müsste. Die vielen Dinge, die noch auf der To-Do-Liste stehen, erscheinen vor dem inneren Auge und verhindern so, dass man überhaupt anfangen kann.

Sie kennen das, es ist Ihnen gar heute schon passiert? Lesen Sie weiter!

Ich muss im Alltag funktionieren

Zunächst einmal möchte ich an den Anfang dieses Beitrags erinnern: Es ist eine wunderbare, hilfreiche Fähigkeit, das mit dem Denken. Und auch Gedanken über Unangenehmes sind wichtig. Sie helfen uns zu lernen, uns zu schützen, Dinge anders zu machen, vorbereitet in Situationen zu gehen. „Come to the Dark Side“ bedeutet hier, auch die guten Aspekte unserer „negativen“ Seiten anzuerkennen. Wenn wir uns mit den belastenden Situationen auseinandersetzten, entstehen daraus neue Ideen, neues Verhalten und wir entwickeln uns.

Das schwierige ist aber oft, dass wir nicht immer Zeit und Energie haben, uns direkt mit diesen Gedanken zu beschäftigen. Man muss im Alltag funktionieren oder man möchte bei einer Verabredung dem Gegenüber die volle Aufmerksamkeit schenken. Man hat grade keine Kraft, sich damit auseinander zu setzen. Man möchte dieses Thema mit einer bestimmten Person besprechen. Oder es ist ein Problem, welches erst übermorgen gelöst werden kann. Und dennoch, die belastenden Gedanken tauchen auf, zu den ungünstigsten Zeitpunkten.

Kurzfristige Entlastung mit Ausblick

Viele Menschen werden in solchen Situationen versuchen, die negativen Gedanken erst einmal zu verdrängen, um sich später mit ihnen zu beschäftigen. So gut klappt das aber oft nicht. Ein Grund dafür ist möglicherweise, dass wir oft unbewusst versuchen, die Gedankenkreisel aufzuhalten. Wir entscheiden uns, einfach nicht mehr daran zu denken. Wer das kennt, der weiß auch wie schwer „einfach Nicht-Denken“ fällt. Alles was wir unbewusst machen, entzieht sich unserer Handlungsfähigkeit. Wenn wir aber aktiv etwas tun, steigt unsere Kontrolle darüber.

Aus meiner Erfahrung heraus hilft es, kurzfristig einen Gedankenstopp einzulegen und sich einen Zeitpunkt zu wählen, an dem man sich mit den Problemen beschäftigt. Darum geht es hier. In diesem Beitrag werde ich Ideen aufzeigen, die helfen wenn uns auftauchende, hartnäckige Gedanken im Alltag „belästigen“. First-Aid-Gedankenkreisel- Möglichkeiten, wie man sich selbst kurzfristig in belastenden Situationen unterstützen kann.

Einen guten Zeitpunkt wählen
Sie haben jetzt grade keine Zeit und Energie, sich mit dem Gedanken zu beschäftigen? Drängen Sie ihn nicht einfach weg, überlegen Sie: Wann wäre ein guter Zeitpunkt? Wann kann und werde  ich mich damit auseinander setzen? Wo werde ich sein? Vielleicht ist es beim Nachmittagstee, vor dem Schlafengehen, vielleicht nehmen Sie sich Zeit für einen Spaziergang.Sagen Sie sich selbst die genaue Zeit und den Ort. Sichern Sie sich zu, sich dann auch wirklich damit zu beschäftigen. Dieser Ausblick beruhigt viele Gedankenkreisel. Wenn sie doch wieder auftauchen sollten, erinnern Sie Ihre Gedanken ruhig daran, dass Sie schon eine Verabredung ausgemacht
haben.

Wenn Sie einen Zeitpunkt ausgewählt haben geht es nun darum, kurzfristig die Gedankenkreisel zu stoppen.

Aufschreiben
So einfach wie wirksam: Nehmen Sie sich bewusst einen Moment Zeit. Notieren Sie sich auf einem Zettel, in Ihr Tagebuch oder auf Ihrem Smart-Phone all die Gedanken, die gerne gedacht werden wollen. Bringen Sie die Sorgen aus Ihrem Kopf auf das Papier.Sie können die Liste über den Tag ergänzen. Kommen Gedankenkreisel immer wieder, lesen Sie aktiv nach, welche Sie sich schon notiert haben. Erinnern Sie Ihre Gedanken daran, dass sie schon wahrgenommen wurden. Sie werden nicht vergessen, sie sind notiert. Holen Sie Ihre Liste heraus, wenn der Zeitpunkt zum Denken gekommen ist. Der ein oder andere Gedanke hat sich bis dahin vielleicht schon von selbst aufgelöst…

path880Gedanken STOP
Wenn ein halb-bewusstes „nicht dran denken wollen“ nicht ausreicht, um Ruhe in den Kopf zu bringen, hilft diese Übung. Nehmen Sie sich bewusst einen Moment Zeit. Gern können Sie dabei Ihre Augen schließen. Stellen Sie sich in Gedanken ein großes Stoppschild vor. Lassen Sie es groß und feuerrot vor Ihrem inneren Auge leuchten. Es signalisiert Ihren Gedanken: Stopp! Jetzt und hier reicht es! Die Buchstaben stehen für: STOP – Take a break – Observe – Practice. Zu deutsch steht das für: STOP – Tief durchatmen – Obacht geben – Praktiziere etwas. Lassen Sie das gedankliche Stoppschild aufleuchten und nutzen Sie diese Unterbrechung um einmal tief durchzuatmen. Beobachten Sie sich selbst für einen Moment, nehmen Sie wahr, was gerade los ist. Und dann praktizieren -also tuen Sie etwas, was Ihnen in der aktuellen Situation hilft (beispielsweise eine weitere Übung aus diesem Beitrag). Nutzen Sie Ihr inneres Stoppschild, wann immer es Ihnen gut tut. Kommen Sie vom Denken wieder ins Handeln.

A-S-R
Ausatmen-Schultern-Runter (A-S-R), eine kleine Power-Übung, um sich auch auf körperlicher Ebene zu entspannen. Ein praktischer Stress- und Gedanken-Stopp. Nehmen Sie sich für diese Übung bewusst einen Augenblick Zeit, wo immer Sie sind. Atmen Sie tief ein und ziehen Sie die Schultern beim Ausatmen aktiv nach unten. Wie stark hatten Sie die Schultern und den Nacken vorher unbewusst angespannt? Um den Unterschied besonders gut zu spüren, können Sie beim Einatmen die Schultern einmal bewusst hochziehen und sie beim Ausatmen wieder aktiv nach unten ziehen. Spüren Sie nun den Unterschied. A-S-R + L,- lächeln Sie. Genießen Sie den Moment.

Die Tür öffnen
Wenn der Kopf mal wieder brummt weil er voll von Gedanken ist, hilft diese Übung. Nehmen Sie sich bewusst einen Moment Zeit. Gern können Sie die Augen schließen. Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine kleine Tür an Ihrem Kopf, an Ihrer Stirn. Stellen Sie sich vor, wie Sie diese Tür öffnen. Alle Gedanken dürfen nun herausfließen. Lassen Sie die Gedanken hinaus, bis Sie sich erleichtert fühlen. Genießen Sie das Gefühl von neuem Raum und Leichtigkeit.

Gedanken ablegen
Diese Übung unterstützt, wenn Gedanken grade warten sollen, weil man sich zu einem anderen Zeitpunkt mit ihnen beschäftigen will. Da könnten sie ja vielleicht auch außerhalb ihres Kopfes warten?! Nehmen Sie sich bewusst einen Moment Zeit. Stellen Sie sich vor, wie Sie Ihre Gedanken aus Ihrem Kopf nehmen und an einer Stelle ablegen. Vielleicht haben Sie eine wertvolle Vase, ein schönes Gefäß. Ein Ort an dem die Gedanken gut aufgehoben aber dennoch klar von Ihnen getrennt sind. Wenn es Ihnen hilft, führen Sie diese Handlung tatsächlich aus. Greifen Sie sich an die Stirn, nehmen in der Vorstellung die Gedanken heraus, gehen Sie zu dem ausgewählten Ort und legen Sie die Gedanken. Machen Sie das so oft, bis Sie sich ruhiger fühlen. Und vergessen Sie nicht, die Gedanken dort wieder abzuholen, wenn der Moment dafür gekommen ist!

War da etwas dabei für Sie? Was davon haben Sie selbst schon angewandt, was möchten Sie einmal ausprobieren? Helfen Ihnen eher Übungen, die mit gedanklichen Bildern arbeiten oder mit Handlungen, mit dem Körper? Es gibt dabei kein falsch oder richtig. Verändern Sie die Übung so, dass Sie sich damit wohlfühlen. Lassen Sie Ihrer Kreativität und Fantasie freien Lauf. Nutzen Sie alles, was Ihnen hilfreich ist. Probieren Sie es einfach aus und beobachten Sie beim nächsten Gedankenkreisel, was vielleicht schon anders ist. Denken Sie daran: Wenn Sie Ihre Gedanken beobachten können, haben Sie den ersten Schritt zur Selbstkontrolle und Veränderung schon geschafft…


Zum Schluss an dieser Stelle der Hinweis, dass diese Übungen für alltägliche Situationen gedacht sind. Bei schweren Erkrankungen oder verfestigten Gedankenmustern dienen sie nur als erster kleiner Schritt zu mehr Leichtigkeit…

5 Kommentare zu “First-Aid-Gedankenkreisel

  1. Hallo Laura,
    danke für die tollen Tipps! Sie kommen gerade richtig!! Bei mir sind die Gedankenkreisel ständig Ängste über die gleichen, schon durchgekauten Themen. Was mir hilft, ist es anzunehmen wie es ist – oft ärgert man sich ja darüber und will es weghaben… Also annehmen…das ist mal schon unglaublich erleichternd.
    Und dann Happy Musik laut aufdrehen, mitsingen und tanzen 🙂

    • Hallo Tanzfeder! Vielen Dank für deine Gedanken- Annehmen. Die hohe Kunst! Ein wichtiger Bestandteil auch bei Achtsamkeitsübungen. Wahrnehmen wie es ist. Akzeptieren, dass es grade so ist. Und annehmen… Geht Annehmen sogar über akzeptieren hinaus? Hat es nicht noch einen besonderen Touch mehr(?!) Ich denke so Viele würden davon profitieren, das zu können. Nur erst einmal dahin zu kommen… gar nicht so einfach. Gibt es etwas, was dir dabei hilft, diese Situationen anzunehmen, wenn ich fragen darf? Was würdest du anderen raten, die „das Annehmen“ langsam erlernen wollen?
      Meine Idee hinter „Come to the Dark Side“ ist ja genau die, solche „dunklen“ Gefühle, Momente, oder sogar Anteile an und in uns selbst wahrzunehmen, anzunehmen und vielleicht irgendwann auch zu transformieren… Wenn ein Schritt dabei ein lebendiger Tanz ist, ist das großartig 🙂 Beste Grüße, Laura

      • Hallo Laura,
        ja ich denke auch das ANNEHMEN noch ein Schritt mehr ist als „nur“ AKZEPTIEREN.
        Für mich ist ganz klar dass alle Gefühle gesehen werden wollen. Und das die meisten Gefühle schon ganz lange in uns sind und nur durch einen kleinen Auslöser im Jetzt wieder aktiviert werden.
        Deswegen ist klar, wir müssen hinschauen, weil irgendwann werden sie sonst wieder aktiviert.
        Das innere Kind ist da wohl wichtig.
        Was mir auch hilft ist dem Gefühl (Angst etc) ein Gesicht zu geben (ist es ein Tier, wie schaut es aus, hat es einen Namen), dann das Wesen in den Arm nehmen, annehmen.
        (Diese Idee kommt von Robert Betz, speziell die CD für Kinder – Meine Gefühle werden meine Freunde) …
        Alles Liebe, vielleicht konnte ich jemanden damit helfen 🙂

  2. Was mir hilft: Meditieren. Die Gedanken still betrachten, erfahren, wie flüchtig sie sind und dass es nur Gedanken sind-nichts wirkliches . Und schließlich die Erfahrung, dass ich keineswegs aufhöre zu existieren, wenn ich von den Gedanken lasse, wenn sie verschwinden und weniger werden, dass ich dann mit meinem Wesenskern in Verbindung trete. Mit etwas, das jenseits der Gedanken existiert und dass mich viel glücklicher macht. Die Gedanken sind dann ein Theater, dass ich gelegentlich besuchen kann, dass mich amüsiert , das ich benutzen kann, wenn es mir gefällt, mit dem ich mich aber keineswegs identifiziere.

    • Ich komme grade zurück aus meinem Urlaub und lese dein Kommentar. Und genieße es. Vielen Dank. Das Bild der Theaterbühne, für mich als Unterstützung der Betrachtung auch mal aus der Ferne (Thema manchmal etwas „nicht zu nah dran lassen“), werde ich mir mal mit in mein Leben nehmen… Dazu kenne ich einen Song, der in einer Strophe glaube ich genau das wiederspiegelt: Wenn ich mich nicht irre heißt er „The Train Song“ von einem Pooja Album (ab Minute 3:20), grob: Auch wenn das Leben eine Version des Skriptes schreibt, was dir nicht gefällt… kannst du dich immer noch zurücklehnen und das Drama, das Bühnenspiel genießen…

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